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„Mit mir wird es keinen anderen Weg in der Ukraine-Politik geben“: Die SPD watscht Lars Klingbeil ab

„Mit mir wird es keinen anderen Weg in der Ukraine-Politik geben“: Die SPD watscht Lars Klingbeil ab

Wann ist eigentlich eine Rede stark? Schwer zu sagen, erst recht auf einem Parteitag. Es kommt viel Erwartbares, Mutmachendes, Kämpferisches, eher selten auch etwas zweifelnd Persönliches. Da machte der Bundesparteitag der SPD zu seinem Auftakt am Freitag im City-Cube in Eichkamp keinen Unterschied.

Dabei sprachen zuvorderst Lars Klingbeil und Bärbel Bas, das neue Spitzen-Duo der Partei. Klingbeil wollte wiedergewählt werden, Bas erstmals das Mandat bekommen. Die Frau aus Duisburg, als neue Arbeitsministerin und so etwas wie das soziale Gewissen der Partei, erinnerte an die innerparteilichen Auseinandersetzungen der vergangenen Woche nach der so katastrophal verlaufenen Bundestagswahl.

Lars Klingbeils Angst vor dem Sigmar-Gabriel-Moment

Und sie erinnerte mit Bedauern an den Umgang mt ihrer Vorgängerin Saskia Esken, dem prominentesten Opfer der 16,4 Prozent vom Wahlabend. „Das müssen wir ganz anders machen“, sagte Bas. „Wenn wir Solidarität erkämpfen wollen, müssen wir solidarisch sein – sonst glaubt uns das keiner.“ Später gab Bas einen kleinen Einblick in ihr Seelenleben. „Ich habe mich gefragt: Willst du dir das wirklich antun?“ Nach einer kurzen Pause sagte sie: „Ich stehe hier oben. Also ganz deutlich: Ja“

Lars Klingbeil versuchte es anders. Als er nach den ersten Sekunden seiner Rede genug Pausen für Applaus ließ, er aber keinen empfing, sagte er: „Man kann die Anspannung bis hier oben spüren, und glaubt mir, ich bin auch angespannt.“ Schon hatte er ihn, den Applaus. Eine knappe Minute lang. Begeisterung geht anders.

Die Anspannung, vielleicht auch die Angst, des Lars Klingbeil war tatsächlich greifbar. Das Politikportal Politico nannte es die „Angst vor dem Gabriel-Moment“. Sigmar Gabriel war 2015 ohne Gegenkandidaten mit nur 74,3 Prozent Zustimmung wiedergewählt worden und liegt seitdem auf dem reich gefüllten Elefantenfriedhof der deutschen Sozialdemokratie.

SPD-Parteitag: 95 Prozent für Bärbel Bas

Und Klingbeil? Ihm wurde prophezeit, was im Politsprech ein „ehrliches Ergebnis“ ist – also kein besonders gutes. Es wurde mit 64,9 Prozent sogar ein richtig schlechtes.

Solch ein Ergebnis dürfte vor allem die Delegierten aus Berlin an ähnliche Desaster ihrer früheren Vor-Leute Raed Saleh, Franziska Giffey und Michael Müller in den vergangenen Jahren erinnert haben, die in unschöner Regelmäßigkeit bei Parteitagen von den eigenen Leuten abgewatscht wurden. In Kenntnis dessen hatte zum Beispiel Kian Niroomand, Kreisvorsitzender aus Charlottenburg-Wilmersdorf, vorher im Gespräch mit der Berliner Zeitung noch gehofft, dass es Klingbeil nicht so schlimm ergehen würde. Er wurde eines Schlechteren belehrt. Zum Vergleich: Vor zwei Jahren hatten noch 85,6 Prozent der Delegierten für den damaligen Rookie Klingbeil gestimmt.

Und Bärbel Bas? Dem Darling der Parteilinken hatten Bebachter zuvor einen Wert um die 90 Prozent zugetraut – am Ende wurden es 95 Prozent Zustimmung. Mehr Statement geht nicht.

27.06.2025, Berlin: Bärbel Bas (SPD), Bundesministerin für Arbeit und Soziales und SPD-Parteivorsitzende, und Lars Klingbeil (SPD), Bundesminister der Finanzen, Vizekanzler und SPD-Bundesvorsitzender, nehmen beim SPD-Bundesparteitag die Gratulation von Olaf Scholz (SPD), ehemaliger Bundeskanzler, nach ihrer Wahl zu den SPD-Parteivorsitzenden entgegen.
27.06.2025, Berlin: Bärbel Bas (SPD), Bundesministerin für Arbeit und Soziales und SPD-Parteivorsitzende, und Lars Klingbeil (SPD), Bundesminister der Finanzen, Vizekanzler und SPD-Bundesvorsitzender, nehmen beim SPD-Bundesparteitag die Gratulation von Olaf Scholz (SPD), ehemaliger Bundeskanzler, nach ihrer Wahl zu den SPD-Parteivorsitzenden entgegen.Kay Nietfeld/dpa

Ohnehin konnte ihr an diesem Abend offenbar nichts recht schaden: Nicht einmal das Lob ausgerechnet von FDP-Vize Wolfgang Kubicki, der sich im Stern als glühender Anhänger geoutet hatte. „Wenn mehr Sozialdemokraten so wären wie Bärbel Bas, wäre die Partei gerettet“, sagte der FDP-Mann. Sie sei verlässlich, gerade heraus, offen und geerdet, sagte Kubicki über die Frau, mit der bis zuletzt im Bundestagspräsidium zusammengearbeitet hätte.

Er und sie hätten sich trotz politischer Unterschiede menschlich immer gut verstanden, ließ der FDP-Mann wissen. „Wer Frau Bas schlecht behandelt, bekommt es mit mir zu tun.“ Die Delegierten im Saale des City-Cubes sahen es offenbar ählich.

Und mit noch etwas sollte Kubicki Recht behalten. Bas werde keine große Rednerin mehr – die Bestätigung folgte beim Parteitag auf dem Fuße. Am Ende war’s egal, Bärbel Bas konnte nicht verlieren.

„Es gibt immer eine Alternative zu Krieg, zu Frieden gibt es keine“

So wie Lars Klingbeil nicht wirklich gewinnen konnte. Sicher trug das Unbehagen vieler dazu bei, dass Saskia Esken nach dem Wahlschlappe gehen musste – und er selbst als Vizekanzler, Finanzminister und Parteichef eine selten gesehene Machtfülle beanspruchte. Wie glaubwürdig er selbst war, als er sagte, er fühle Verantwortung für das schlechte Abschneiden bei der Bundestagswahl und habe sogar an einen Rückzug gedacht, kann nur er selber wissen. Jedenfalls sagte Klingbeil: „Entweder ich höre auf oder ich gehe voll in die Verantwortung für die SPD.“ Er entschied sich für Variante zwei.

Zu dem Unbehagen über seine Machtfülle kam sicher auch die Kritik vieler Delegierter an der Aufrüstungspolitik der Partei. Klingbeil selbst arbeitete sich in seiner Rede an dem „Manifest“ ab, in dem Ex-Parteigranden wie Rolf Mützenich, Erhard Eppler oder Ralf Stegner der Diplomatie Vorrang geben wollten. „Mit mir wird es keinen anderen Weg in der Ukraine-Politik unserer Partei geben“, sagte Klingbeil. „Wladimir Putin ist nicht Michail Gorbatschow. Wir müssen heute alles tun, um uns vor Putins Russland zu schützen.“

Verteidigungsminister Boris Pistorius und auch Ex-Parteichef Martin Schulz unterstützten Klingbeil. Beide sprachen Russlands Präsidenten jedes ehrliche Interesse an Verhandlungen ab. Sie alle bekamen eine gewisse Skepsis, wenn nicht gar eisiges Schweigen aus Teilen des Publikums zu spüren. Da halfen auch historische Verweise auf Partei-Ikonen wie Willy Brandt und Halb-Ikonen wie Helmut Schmidt nichts, die immer schon gewusst hätten, dass die Entspannungspolitik ihrer Zeit nur auf Grundlage militärischer Stärke möglich war.

Dabei hatten Stegner und Co sogar auf einen eigenen Antrag verzichtet, Mützenich war gar nicht erst erschienen. In seiner Rede erinnerte Stegner an das Vermächtnis der SPD als Friedenspartei, die Stimmen an die Rechts- und Linkspopulisten verloren habe, „weil wir ihnen das Feld vom Krieg und Frieden überlassen haben“.

Einmal in Schwung, berichtete Stegner davon, dass er seit 14 Tagen Großvater sei. Er selbe stamme aus einer Generation, die das große Glück gehabt habe, in „Frieden und Wohlstand“ zu leben. Jetzt hoffe er, dass seine Kinder und vor allem seine Enkel dieses Glück auch haben werden. Zum Schluss hatte er noch eine Parole parat, die doch sehr an die Friedensbewegung in den 80er-Jahren erinnerte: „Es gibt immer eine Alternative zu Krieg, zu Frieden gibt es keine.“

Der Enkeltrick der altbekannten Art verfing offensichtlich im Saal. In einer Ecke hatten sich dort zwischenzeitlich Aktivisten einer Initiative mit dem langen Namen „Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für Diplomatie und Deeskalation“ vor Fernsehkameras aufgebaut. Sie trugen rote Shirts mit dem Audruck „Abrüsten - irgendwann ist jetzt!“, klebten sich schwarze Bärte ins Gesicht und setzen sich Pickelhauben aus Pappe auf. Dabei schwiegen sie.

SPD gegen Klingbeil: „Eskalation von Waffenlieferungen verhindern“

Wie sich später herausstellte, verstehen die Aktivisten unter Deeskalation, dass das Ende von Kriegshandlungen und der Vorrang einer zivilen Konfliktlösung auch mit der Rücknahme von Wirtschaftssanktionen zu verbinden sei. In jedem Fall sei „eine Eskalation von Waffenlieferungen zu verhindern“. Wie es sich für einen Appell gehört, wurden auch die Namen der Erstunterzeichner genannt. Darunter findet sich kein aktueller Bundespolitiker von Rang, aber doch der eine oder andere, der auch Stegners „Manifest“ unterschrieben hatte.

Vielleicht noch ein Wort zu Rolf Mützenich, dem ehemaligen Fraktionschef. Eine Erzählung innerhalb der Partei geht so: Mützenich habe Klingbeil nach der Wahl den Fraktionsvorsitz überlassen, damit dieser als Doppelchef von Partei und Fraktion auf Augenhöhe mit CDU-Mann Friedrich Merz die Koalition verhandeln könne.

Eine Art Gegenleistung sollte offenbar sein, dass Mützenich den prestigeträchtigen Vorsitz des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag bekommen sollte. Doch Klingbeil habe seine Ankündigungen nicht einhalten können, der Posten ging bekanntlich an Armin Laschet von der CDU. Mützenich sei seither verschnupft. Und Lars Klingbeil erhält 64,9 Prozent der Stimmen.

Berliner-zeitung

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